Erfasst, touchiert, übersehen - warum Sprache in Polizeimeldungen und Artikeln die Wahrnehmung von Unfällen beeinflusst und dadurch Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit verhindert werden.
Autofahrer erfasst ist eine Schuldzuweisung. Die Frage der Schuld an dem Unfall, ob nicht z.B. ein technischer Defekt, medizinischer Notfall oder sonstwas, das den Autofahrer selbst nicht zu aktiven Täter macht, vorgelegen hat, ist aber bis zum Abschluss der Untersuchung ungeklärt. Somit bleibt solange nur ein Auto erfasst ö.Ä. als neutrale Aussage übrig.
Der Beitrag des ADFC greift auch andere Formulierungen auf, z.B. die Nennung ob Radfahrer dunkle Kleidung oder keinen Fahrradhelm trugen. Gerade die Bemerkung zum Helm impliziert eine potenzielle Mitschuld der Radfahrenden, obwohl es keine Pflicht dazu gibt.
Zumal in solchen Meldungen dennoch meist von Radfahrenden geschrieben wird und nicht von involvierten Fahrrädern. Damit bleibt dennoch eine Unausgeglichenheit bei den Unfallbeteiligten. Dass der Autofahrer im konkreten Fall auch noch Unfallflucht beging macht die Überschrift auch nicht gerade neutraler.
Ob der Radfahrer einen Helm trug oder nicht hat mit der Schuldfrage am Unfall erstmal nichts zu tun, höchstens bei der Beurteilung, ob die Schwere der Kopfverletzungen möglicherweise mit Helm eine anderere gewesen wäre als ohne.
Ein Fahrrad fährt eigentlich nicht von selbst, bzw. unbeabsichtigt irgendwohin, ein Auto bisweilen schon.
Über die Unfallflucht gibt es keine Diskussion. Die ist, akuter Drogenrausch oder Amnesie ausgeklammert, unentschuldbar. Und auch in den anderen beiden Fällen sollte es sich mit der Fahrerlaubnis des Unfallfahrers erledigt haben.
Und obwohl der Helm für den Unfallhergang unerheblich ist, wird es immer mal wieder erwähnt. Teilweise auch ohne wirkliche Aussage dahinter. Bei Autofahrern wird hingegen kaum erwähnt, ob diese nicht verpflichtende Sicherheitsmaßnahmen wie Airbags oder auffällige Reflektoren haben.
Auch auf einem Rad können Fahrende die Kontrolle aufgrund von technischen Fehlern die Kontrolle verlieren. Bei Pedelecs dürfte das Risiko sogar noch höher sein. Dennoch wird kaum geschrieben, das Fahrrad habe sich auffällig bewegt sondern eher über die Radfahrenden.
Es bleibt einfach auffällig, wie unterschiedlich Verkehrsteilnehmer in solchen Berichten adressiert werden.
Wieso soll der Helm für die Kopfverletzung unerheblich sein? Er ist nur unerheblich bei der Frage, ob und warum der Autofahrer den Radfahrer umgefahren hat oder nicht.
Stimmt, hab das gerade geändert, wie ich es ursprünglich meinte. Sorry!
Die Verletzung ist unerheblich für die Schuldfrage oder den Hergang. Und dennoch wird je nach Formulierung suggeriert, es wäre ein Versäumnis des Radfahrers keinen Helm getragen zu haben, obwohl nicht unbedingt klar ist wie viel Effekt er überhaupt gehabt hätte.
Darüber kann man streiten, aber letztendlich würden sich wahrscheinlich die Gerichte dieser Interpretation anschließen. Wenn es dazu kommen sollte, dass eine Redaktion den Leitfaden von Dr. Schneidemesser anwendet, wahrscheinlich wird diese Redaktion nach der ersten Klage eines Autofahrers wieder zurückrudern müssen. Ich glaube die beste Lösung wäre es die erste Polizeimeldung zu ignorieren und eine Berichterstattung überhaupt erst dann zu veröffentlichen wenn die Schuldfrage einigermaßen geklärt ist.
Naja, aber wann ist “neutral” wirklich “neutral” ? Bei 'nem Dooring-Unfall ist’s ja meistens ein Autoinsasse, der unachtsam eine Autotür öffnet, und das Radfahry keine Zeit zum Reagieren hat … trotzdem heisst es dann “Radfahrer fährt in Tür”, und das wäre dieser Logik nach “neutral”, beschreibt aber das Problem (unachtsame Autoinsassen) überhaupt nicht … rechtlich sicher, aber im Gesamtkontext unfair …
Beim Dooring sind zwei unachtsam: Der Insasse im Auto, der die Tür öffnet ohne ausreichend auf den Verkehr zu achten und der Radfahrer, der zu dicht am parkenden/haltenden Auto vorbeifährt:
„Radfahrer müssen einen ausreichenden Sicherheitsabstand vom rechten Fahrbahnrand und insbesondere von parkenden Kraftfahrzeugen einhalten. Der Abstand muss so bemessen sein, dass den Radfahrer eine sich öffnende Autotür nicht in eine Gefahrensituation bringen kann.“ (LG Berlin, Az. 24 O 466/95)
Ja, die sind widersinning, aber es gibt sie. Und nicht jeder hat auf dem Rad die Selbstsicherheit, auch bei nicht ganz hohen Geschwindigkeiten mittig auf dem Fahrstreifen zu fahren (und selbst wenn man diese hat, kann’s stressig sein, und man fährt am Ende automatisch weiter rechts). Von daher, die “Unachtsamkeit” auf beiden Seiten sehe ich jetzt nicht als Äquivalent an.
Mit der gleichen Argumentation könnte man auch sagen, dass viele Autofahrer sich nicht trauen sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit zu halten, weil andere immer drängeln.
Find’ ich auch nicht ganz vergleichbar … zum einen ist die Rechtslage bei der Höchstgeschwindigkeit ziemlich klar, was auf dem Schild steht, gilt.
Was das mittige Fahren angeht, werden die wenigsten das Gerichtsurteil kennen, auf der anderen Seite liest man eher sowas wie:
Fahren auf der Fahrbahn (§ 2 Abs. 1 und 2 StVO)
Wenn kein beschilderter Radweg vorhanden ist, dürfen Radfahrende die Fahrbahn benutzen. Dort gilt, wie
sonst auch, das Rechtsfahrgebot. Radfahrende müssen „möglichst weit rechts“ am Fahrbahnrand fahren.
Aber wie weit rechts ist das? Durch den Rinnstein, wo sich Schmutz und Scherben sammeln? Oder dicht an
parkenden Autos vorbei, deren Türen sich plötzlich öffnen können? Besser nicht! Etwa eine Autotürbreite
Abstand (mehr als 1 Meter) kann bei parkenden Autos angemessen sein, sonst etwas weniger (0,80 m). Ge-
meint ist dabei immer der Abstand vom Lenkerende.
Von widersprüchlichen Regelungen wie den benutzungspflichtigen Radweg in der Dooring-Zone will ich gar nicht anfangen …
Zum Anderen macht es doch einen Unterschied, ob ein Autofahrer drängelt, wenn man im Auto oder auf’m Rad sitzt. Das Kräfteverhältnis ist da halt nicht vergleichbar.
Insofern finde ich nicht, das man den sozialen Druck, als Radfahrer rechts zu fahren, vernachlässigen kann …
Ganz so eindeutig scheint die Rechtsprechung nicht zu sein:
Ein Mitverschulden des Mannes sei dabei nicht anzunehmen. Ihm könne nämlich nicht der Vorwurf gemacht werden, nicht genügend Abstand zur sich öffnenden Autotür eingehalten zu haben. Wie groß der Abstand im konkreten Fall zu sein hat, sei eine Frage des Einzelfalles, so das LG. Dabei komme es auf die Verkehrslage, die Geschwindigkeit und die bauliche Situation sowie die Art der beteiligten Fahrzeuge an.
Und in diesem Fall sieht das Oberlandesgerichts Celle den erforderlichen Abstand anders als das Landgericht Berlin lediglich bei 50 cm:
Zu einem Mitverschulden des Radfahrers könne man nur gelangen, wenn dieser in einem zu geringen seitlichen Abstand zum geparkten PKW gefahren sei. Dieser Mindestabstand sei zwar stets einzelfallabhängig, er müsse aber zumindest 50 cm betragen.
Rein rechtlich bräuchte es wohl ebenso erst eine rechtliche Einordnung um eine Mitschuld des Radfahrers festzustellen.
In Verkehr selbst wird es den Radfahrern durch die Infrastruktur zumindest nicht leicht gemacht, entsprechende Erwartungen umzusetzen.
Autofahrer erfasst ist eine Schuldzuweisung. Die Frage der Schuld an dem Unfall, ob nicht z.B. ein technischer Defekt, medizinischer Notfall oder sonstwas, das den Autofahrer selbst nicht zu aktiven Täter macht, vorgelegen hat, ist aber bis zum Abschluss der Untersuchung ungeklärt. Somit bleibt solange nur ein Auto erfasst ö.Ä. als neutrale Aussage übrig.
Der Beitrag des ADFC greift auch andere Formulierungen auf, z.B. die Nennung ob Radfahrer dunkle Kleidung oder keinen Fahrradhelm trugen. Gerade die Bemerkung zum Helm impliziert eine potenzielle Mitschuld der Radfahrenden, obwohl es keine Pflicht dazu gibt. Zumal in solchen Meldungen dennoch meist von Radfahrenden geschrieben wird und nicht von involvierten Fahrrädern. Damit bleibt dennoch eine Unausgeglichenheit bei den Unfallbeteiligten. Dass der Autofahrer im konkreten Fall auch noch Unfallflucht beging macht die Überschrift auch nicht gerade neutraler.
Ob der Radfahrer einen Helm trug oder nicht hat mit der Schuldfrage am Unfall erstmal nichts zu tun, höchstens bei der Beurteilung, ob die Schwere der Kopfverletzungen möglicherweise mit Helm eine anderere gewesen wäre als ohne.
Ein Fahrrad fährt eigentlich nicht von selbst, bzw. unbeabsichtigt irgendwohin, ein Auto bisweilen schon.
Über die Unfallflucht gibt es keine Diskussion. Die ist, akuter Drogenrausch oder Amnesie ausgeklammert, unentschuldbar. Und auch in den anderen beiden Fällen sollte es sich mit der Fahrerlaubnis des Unfallfahrers erledigt haben.
Und obwohl der Helm für den Unfallhergang unerheblich ist, wird es immer mal wieder erwähnt. Teilweise auch ohne wirkliche Aussage dahinter. Bei Autofahrern wird hingegen kaum erwähnt, ob diese nicht verpflichtende Sicherheitsmaßnahmen wie Airbags oder auffällige Reflektoren haben.
Auch auf einem Rad können Fahrende die Kontrolle aufgrund von technischen Fehlern die Kontrolle verlieren. Bei Pedelecs dürfte das Risiko sogar noch höher sein. Dennoch wird kaum geschrieben, das Fahrrad habe sich auffällig bewegt sondern eher über die Radfahrenden.
Es bleibt einfach auffällig, wie unterschiedlich Verkehrsteilnehmer in solchen Berichten adressiert werden.
Wieso soll der Helm für die Kopfverletzung unerheblich sein? Er ist nur unerheblich bei der Frage, ob und warum der Autofahrer den Radfahrer umgefahren hat oder nicht.
Stimmt, hab das gerade geändert, wie ich es ursprünglich meinte. Sorry!
Die Verletzung ist unerheblich für die Schuldfrage oder den Hergang. Und dennoch wird je nach Formulierung suggeriert, es wäre ein Versäumnis des Radfahrers keinen Helm getragen zu haben, obwohl nicht unbedingt klar ist wie viel Effekt er überhaupt gehabt hätte.
Darüber kann man streiten, aber letztendlich würden sich wahrscheinlich die Gerichte dieser Interpretation anschließen. Wenn es dazu kommen sollte, dass eine Redaktion den Leitfaden von Dr. Schneidemesser anwendet, wahrscheinlich wird diese Redaktion nach der ersten Klage eines Autofahrers wieder zurückrudern müssen. Ich glaube die beste Lösung wäre es die erste Polizeimeldung zu ignorieren und eine Berichterstattung überhaupt erst dann zu veröffentlichen wenn die Schuldfrage einigermaßen geklärt ist.
Naja, aber wann ist “neutral” wirklich “neutral” ? Bei 'nem Dooring-Unfall ist’s ja meistens ein Autoinsasse, der unachtsam eine Autotür öffnet, und das Radfahry keine Zeit zum Reagieren hat … trotzdem heisst es dann “Radfahrer fährt in Tür”, und das wäre dieser Logik nach “neutral”, beschreibt aber das Problem (unachtsame Autoinsassen) überhaupt nicht … rechtlich sicher, aber im Gesamtkontext unfair …
Beim Dooring sind zwei unachtsam: Der Insasse im Auto, der die Tür öffnet ohne ausreichend auf den Verkehr zu achten und der Radfahrer, der zu dicht am parkenden/haltenden Auto vorbeifährt:
https://www.radtouren-checker.de/fahrrad-fragen/wie-viel-abstand-fahrrad-parkendes-auto/
Das ergibt sich eigentlich, wie so oft, aus §1 StVO.
Deshalb sind auch (benutzungspflichtige) Radwege und Radfahrstreifen innerhalb der Dooring-Zone ausgewiesener Parkstreifen besonders widersinnig.
Edit: Die hier runterwählen sind entweder uneinsichtig oder zu doof zum Lesen.
Ja, die sind widersinning, aber es gibt sie. Und nicht jeder hat auf dem Rad die Selbstsicherheit, auch bei nicht ganz hohen Geschwindigkeiten mittig auf dem Fahrstreifen zu fahren (und selbst wenn man diese hat, kann’s stressig sein, und man fährt am Ende automatisch weiter rechts). Von daher, die “Unachtsamkeit” auf beiden Seiten sehe ich jetzt nicht als Äquivalent an.
Mit der gleichen Argumentation könnte man auch sagen, dass viele Autofahrer sich nicht trauen sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit zu halten, weil andere immer drängeln.
Find’ ich auch nicht ganz vergleichbar … zum einen ist die Rechtslage bei der Höchstgeschwindigkeit ziemlich klar, was auf dem Schild steht, gilt.
Was das mittige Fahren angeht, werden die wenigsten das Gerichtsurteil kennen, auf der anderen Seite liest man eher sowas wie:
(aus https://www.adfc.de/fileadmin/user_upload/Im-Alltag/Recht/Downloads/Verkehrsrecht_fuer_Radfahrende_6.20.pdf)
Von widersprüchlichen Regelungen wie den benutzungspflichtigen Radweg in der Dooring-Zone will ich gar nicht anfangen …
Zum Anderen macht es doch einen Unterschied, ob ein Autofahrer drängelt, wenn man im Auto oder auf’m Rad sitzt. Das Kräfteverhältnis ist da halt nicht vergleichbar.
Insofern finde ich nicht, das man den sozialen Druck, als Radfahrer rechts zu fahren, vernachlässigen kann …
Ganz so eindeutig scheint die Rechtsprechung nicht zu sein:
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/lg-koeln-5O37220-fahrradfahrer-autofahrer-dooring-schadensersatz-haftung
Und in diesem Fall sieht das Oberlandesgerichts Celle den erforderlichen Abstand anders als das Landgericht Berlin lediglich bei 50 cm:
https://www.ps-verkehrsrecht.de/urteile/vorsicht-beim-tueroeffnen-autotuer-vs-fahrrad/
Rein rechtlich bräuchte es wohl ebenso erst eine rechtliche Einordnung um eine Mitschuld des Radfahrers festzustellen. In Verkehr selbst wird es den Radfahrern durch die Infrastruktur zumindest nicht leicht gemacht, entsprechende Erwartungen umzusetzen.